Nicht jeder lernt gut auswendig, und so haben viele Squaredance-Caller Blätter (oder Dateien im Computer) mit den Texten ihrer Singing Calls. Da man nicht unbedingt den Originalsong gut kennt, ist es zumindest nötig, die Originaltext-Abschnitte für Opener, Mittelteil und Closer schriftlich vorzuhalten.
Der Text auf der Rückseite der Plattencover ist fast immer ganz dilettantisch aufgeteilt. Jeder kennt das Phänomen, dass man versehentlich etwas zu spät oder zu früh mit der Zeile begonnen hat und nun in Schwierigkeiten ist, die Wörter an den rhyhmisch richtigen Stellen im Takt unterzubringen. Man sollte sich also zumindest klarmachen, ob die neue Textzeile vor dem Harmoniewechsel (also dem Beginn der nächsten Gruppe von acht Beats) anfängt, genau darauf oder danach. Und diese Erkenntnis möchte man sich dann auch gerne zu seinen Texten notieren.
Ganz besonders kritisch wird dies, wenn man mit einem anderen Caller einen Singingcall mehrstimmig singen will; hier ist die genaue (und gleiche) Aufteilung des Rhythmus' wichtig.
Ich möchte hier eine Methode beschreiben, die mir viel geholfen hat. Ich gestehe, dass ich eine gewisse Vorbildung als Musiker habe; anderen ist vielleicht zu abstrakt, was ich hier beschreibe, oder sie glauben, das live so nicht umsetzen zu können. Vielleicht kannst du aber Teilaspekte brauchen, oder du findest es praktisch und gewöhnst dich mit der Zeit daran...
Löst man sich einmal ganz von hergebrachten Vorstellungen über Takte und musikalische Form, so wird man schnell konstatieren, dass sich alle Formteile eines normal gebauten Singingcalls zwanglos in acht Zeilen unterteilen lassen (Formteile sind: Opener, Figure 1, Figure 2, Middlebreak,...). Der Text jeder solchen Zeile passt üblicherweise in lesbarer Größe genau auf eine Zeile eines Din-A4-Blatt; sind Reime vorhanden, dann reimen sich meistens die aufeinanderfolgenden Zeilen (Paarreim) oder jeweils die übernächste (Kreuzreim). Seltener sind Binnenreime (bei denen sich die zwei Hälften jeder Zeile reimen). Wenn es in jedem Formteil acht Zeilen gibt, folgt nach Adam Riese, dass jede Zeile genau acht Schläge umfasst.
Die Größe eines Din-A-4-Blatts reicht gerade aus für Opener, Middle Break und Closer plus zwei Zeilen für die Figure-Refrains - diesen bei Bedarf auch in zwei Versionen.
An dieser Stelle müssen wir uns einmal den Unterschied zwischen dem Grundrhythmus und der Melodie klarmachen. Der Grundrhythmus umfasst tatsächlich genau diese acht Beats; die Melodie fängt manchmal ein wenig früher an (Musiker sprechen vom 'Auftakt') und kann auch früher enden (es folgt also eine entsprechend lange Pause). Wer einmal versucht, zu einer Aufnahme im Tempo und Rhythmus der Tanzschritte (und - meist - der Bassdrum) immer die Zahlen von eins bis acht aufzusagen, wird dies schnell merken. Er merkt vielleicht auch, dass auf der 'Eins' so etwas wie eine Betonung kommt (praktisch immer spielen dort Bass und die Bass Drum des Schlagzeugs); wer genau aufpasst, merkt, dass auch die Harmonie wechselt. Je nach Song gilt das gleiche auch für die 'Fünf'. Betrachten wir die Melodielinie, fällt auf, dass deren betonte Silben auf den Schlägen liegen (oder manchmal keck knapp davor).
Und weiter: Die Reimwörter fallen meist auf (oder unmittelbar vor oder nach) die gleiche (!) Zahl - und wenn sie das nicht tun, merkt man dies auch beim Hören. Denn der Hörer hat ein ganz starkes Gefühl für die Länge einer solchen Gruppe von acht Schlägen.
Auch wenn also die Länge der einzelnen gesungenen Zeile von den genannten acht Schlägen abweicht (das tut sie fast immer): Sie orientiert sie sich daran, und mehr noch - sie bezieht sich darauf.
Wenn ich mir den Text eines Formteils aufschreibe, versuche ich grundsätzlich, ihn in genau acht Zeilen unterzubringen. Zwischen den Wörtern (und teilweise genau in den Wörtern) notiere ich mir die Lage der Schläge des Grundrhythmus'; ein senkrechter Strich markiert jeweils den Anfang der Zeile (1. Takt) und die Mitte der Zeile. Die Zwischenbeats zeichne ich durch ganz normale Punkte ein. Dieses Symbol steht jeweils ohne Zwischenraum, denn der Zwischenraum bedeutet eine kleine Pause.
Einige Beispiele (nicht nur Singingcalls):
(1.) |Yes . ter .day . | .all my .troubles .seemed so |Far .away . . | (2.) It's .been a |hard . .day's . night| . . And .I've been |working . . .like a |dog (3.) |Met him .on a .Monday .and my |heart stood . still . . Da |doo ron . ron . ron, . da |doo ron . ron (4.) | I .spent last .night in the .arms of a |girl from-a .Louisi.ana . | Now .on the .High.way my |throughts are .still with .her . (5.) |I saw . the .light . |I saw . the .light . |No more . .dark.ness, |no more . fight . .
Wer diese Beispiele singt und dabei mit dem Finger schnippt, wird bemerken, dass jede Silbe, die auf einen Schnipser fällt, durch einen unmittelbar vorausgehenden Punkt oder senkrechten Strich gekennzeichnet ist.
Man kann auch andere Dinge beobachten: Beispiel (2.) etwa hat besonders lange Auftakte (Bereiche vor Beginn der Achttaktgruppe); man kann hier optisch unmittelbar nachvollziehen, wie in der ersten Zeile das Wort 'night' vorgezogen wird. Ähnlich vorgezogene Silben (die also nicht auf, sondern genau zwischen die 'Beats' fallen und daher von 'ihrem' Punkt durch einen Zwischenraum getrennt sind) findet man in der zweiten Zeile von Beispiel (3.).
Warum der Unterschied zwischen dem ersten und fünften Beat (senkrechter Strich) und den anderen? - Wie beschrieben, wechselt an den durch Strich markierten Stellen meist die Harmonie; mit etwas Erfahrung wird dir immer bewusster werden, dass dies auch musikalisch immer ein wenig hervorgehobene Stellen sind, an denen du dich zunehmend orientieren wirst - auch ohne jeden einzelnen Beat dazwischen immer genau mitzuzählen.
Hat die Textzeile nicht volle Länge, verzichte ich in der Praxis natürlich oft auf die Punkte am Ende. Natürlich notiere ich so auch keine Stellen, die mir eh klar sind, wo es keine Zweifel gibt.
Selbstverständlich könnte man seine betonten Silben auch durch Unterstreichungen und / oder Fettdruck hervorheben. Ich bin davon (wieder) abgekommen, weil das endgültige Aussehen damit zu sehr von dem verwendeten Drucker oder dem Programm abhängt; zu oft musste ich einen Text per Email an Bekannte schicken, die einen Drucker, aber nicht mein Textverarbeitungsprogramm besaßen - zumindest nicht in der richtigen Version. Die Deutlichkeit der Fettschrift hängt auch sehr von der verwendeten Schrift und dem Drucker ab; die Lesbarkeit dann wieder von der Saalbeleuchtung, und so weiter - die hier beschriebene Form ist in allen derartigen Fällen narrensicher.
(Eine Unter- oder Überstreichung einer Silbe verwende ich persönlich manchmal dann, wenn ich bei einer Gruppe von drei Silben innerhalb eines Beats deutlich machen will, welche der drei die längere ist. Aber das ist recht selten notwendig und würde hier zu weit führen.)
Mir ist schon klar, dass ein Caller ohne musikalische Vorbildung Schwierigkeiten mit diesem System haben wird - dabei ist es sicher deutlich einfacher (aber natürlich auch begrenzter) als die Notenschrift. Dennoch wird es sicher schon viel helfen, sich zumindest für den Anfang jeder Zeile klarzumachen, wo sie eigentlich beginnt: Auf dem ersten Schlag? Hinter dem ersten Schlag? Vor ihm? (Wenn vor ihm: Welche Silbe liegt denn auf dem ersten Schlag?). Wer regelmäßig versucht, sich darüber Rechenschaft abzulegen und zumindest die kritischen Zeilenanfänge entsprechend zu notieren, hat schon viel verbessert.
Vielleicht ist manchem das System zu schwierig, um einen völlig vergessenen Song life auf der Bühne gleich richtig zu singen. Aber wenn du ihn zuhause vorbereiten willst, wird es dir zumindest dort helfen, dich an das zu erinnern, was du einmal - vielleicht ein Jahr vorher - überlegt hattest. Ein System kann dir ersparen, zweimal die gleiche Arbeit tun zu müssen.
In Einzelfällen ist es mir wichtig, auch die Figures genau auf die Musik zu singen - sei es bei einem besonderen Song bei besonderer Gelegenheit, sei es, weil ich nah an der Originalmelodie singen will und dies nicht besonders einfach ist (ich vielleicht auch einige von deren Textstellen, Reimwörtern etc. unterbringen möchte) oder besonders auch beim mehrstimmigen Singen. Dann notiere ich mir die Figures nach dem gleichen System auf einem gesonderten Blatt. Manche meiner Singing Calls haben sogar mehrere solcher Figures-Blätter 'für besondere Gelegenheiten' - zum Beispiel für verschiedene Classlevels.
Weiter habe ich mir ein paar einfache Methoden ausgedacht, um Figures nach Sicht callen zu können.
Am häufigsten verwende ich jedoch vorbereitete Abläufe, die nicht songspezifisch sind und die ich auf Karteikarten notiere. Dort kürze ich die einzelnen Calls ab (ähnlich wie von Rich Reel beschrieben) und kann daher auch sie in sechs Zeilen unterbringen - ich ordne die Calls rhythmisch an den Stellen an, wo ich sie ansagen werde.
Ein Beispiel für eine absolute Standardchoreographie (im eher langsamen Tempo) in solcher Notation:
-------------------------------- h-SqTh4 --DADW --SwgTh b-RunR --Feris c-PssTh -------------------------------- --Touc4 --SctBk --Sw.Pr --------------------------------
Auch hier entspricht eine Zeile wieder genau acht Beats; fast jede Ansage wird in einer von vier Spalte stehen, die damit jeweils zwei Beats entsprechen. Die Linie nach vier Zeilen hilft mir bei der Orientierung (hier ist ja auch musikalisch oft eine Einschnitt), um einfach nicht so leicht in die falsche Zeile zu rutschen. Hinter der sechsten Zeile folgen natürlich immer die beiden Refrainzeilen, die ja auf meinem Songblatt stehen.
An der optischen Aufteilung sehe ich beim Callen sofort, wo der Call hingehört; beim Callen halte ich mich dann allerdings nicht unbedingt stur an diesen Rhythmus, sondern achte auf meine Tänzer. Am Unterschied zwischen dem, was ich calle, und dem Notierten spüre ich aber direkt, ob ich im Timing vorne oder hinten liege und kann noch entsprechend reagieren.
Natürlich stehen noch Kommentare, das Tanzlevel, die Quelle und die Schwierigkeit auf diesen Karten, aber das muss uns an dieser Stelle nicht weiter beschäftigen.
Und hier noch einige andere Dinge, die mir aufgefallen sind. Grundsätzlich steht die Erfahrung dahinter, nach Möglichkeit alles zu vermeiden, was auch nur ansatzweise während des Callens deine Aufmerksamkeit abziehen könnte.
Am wichtigsten: Acht Zeilen pro Formteil sind ziemlich viel. Wenn du deinen Blick abwendest, ist es nicht immer einfach, sofort die richtige Stelle wiederzufinden. Daher ist eine weitere Strukturierung notwendig. Ich teile daher den Achtzeilenblock in zweimal vier Zeilen (wie beschrieben, tritt an dieser Stelle oft eine musikalische Zäsur auf). Um dennoch keine kleinere Schrift verwenden zu müssen, stelle ich diese Trennung nicht durch eine Leerzeile dar, sondern durch Einrücken der zweiten Vierzeilengruppe. Dies mache ich in jedem notierten Formteil; der Gewinn an Übersicht ist enorm.
Zuletzt noch einige kleinere Dinge, die mir aufgefallen sind. Grundsätzlich steht die Erfahrung dahinter, nach Möglichkeit alles zu vermeiden, was auch nur ansatzweise deine Aufmerksamkeit abziehen könnte.
Beim Singingcallsingen gibt es einfach zuviel gleichzeitig zu tun; da ist es erfahrungsgemäß am besten, wenn die Blätter immer ganz stur nach Schema F aussehen.
Ja, ihr habt richtig gelesen - es gibt manchmal auch in Pattern Dinge, die ich in einer bestimmten rhythmischen Art vorbringen will. Meist geht es darum, direkt im Opener auf eine bestimmte musikalische Stelle zu reagieren. Beispielsweise fängt ein Teil des Schlagzeugs erst nach sechzehn Takten an - man hat das Gefühl, hier geht der Song erst richtig los, und ich stelle mir vor, dass genau an dieser Stelle beispielsweise ein Right and Left Grand beginnt. Aber es gibt auch einige wenige andere Fälle, wo ich mir für eine isolierte Sequenz den genauen Sprechrhythmus überlegt und notiert habe - einfach, weil mir das Timing zu wichtig schien, um dem Zufall überlassen zu bleiben. Selbst wenn ich es dann am Clubabend nicht ablesen will, kann ich mir den Rhtyhmus aber auch unterwegs immer ganz schnell ins Gedächtnis rufen.