Jeder Caller kennt die offizielle Liste der Definitions, obwohl nicht jeder mitbekommt, wie häufig sie sich ändert. Zum Entstehungszeitpunkt des vorliegenden Dokuments war die Version vom 4. März 2004 aktuell.
Es gibt aber in der Praxis weit mehr zu lernen, als was dort drinsteht. Ich will gar nicht auf Dinge wie Styling oder gar Ethik zu sprechen kommen - bleiben wir einfach bei den Tanzfiguren, die angesagt werden. Da stellt sich nämlich schnell heraus, dass eine ganze Reihe von - durchaus üblichen - Ansagen nicht in den Definitions vorkommen. Meist wird unterstellt, dass sie einem Englischsprachigen sowieso unmittelbar verständlich sind.
Auf das Thema Directionals bin ich gestoßen, als ich meinen ersten Plan für meine erste Class vorbereitete - beim Überlegen wurde mir klar, dass in der Praxis vieles gecallt wird, was nicht in den offiziellen Listen steht und daher Gefahr läuft, im Unterricht vergessen zu werden. 'Directionals' im Sinne des folgenden Artikels sind also alle gebräuchlichen und standardisierten Ansagen des Callers, die Tanzaktionen oder deren Modifikationen auslösen, und die nicht in den Callerlab-Definitionen vorkommen.
Erstaunlich für mich ist weniger, dass diese Directionals nicht in den Callerlab-Listen vorkommen - diese Listen sind stark durch ihre Geschichte geprägt; wahrscheinlich waren am Anfang des Squaredance nicht sie, sondern die Calls die Ausnahme, da sie erklärt werden mussten. Alles andere waren Klartextanweisungen, für Englischsprachige unmittelbar verständlich.
So kann man (mit einigem Wohlwollen) begründen, warum die Directionals auch nicht auf der von Callerlab vorgeschlagenen Teaching Order auftreten. Erstaunlich ist, dass viele europäische Caller, die - oft aus guten Gründen - neue Teaching Orders vorschlagen und verwenden, diese Directionals nicht dort aufnehmen. Ein Grund dazu ist nicht erkennbar - entweder starrt man wie gebannt auf die offiziellen Listen und übersieht die Directionals, oder man hat Angst, dass die neue Liste durch ihren schieren Umfang abschrecken könnte.
Übrigens wurde bei Callerlab jahrelang versteckt eine Liste mit Directionals und anderen Hinweisen gehostet, das sogenannte Glossary; diese Liste war immer sehr schwer zu finden und auch den meisten Suchmeachinen unbekannt und zirkulierte nur unter Callern in Fotokopien. Inzwischen liegt sie als PDF-Dokument offiziell zum Download bereit: www.callerlab.org /documents /ProgramDocs /Glossary_%2802-05-28%29.PDF.
Obwohl das Glossary offiziell als Teil des Mainstreamprogramms gilt, enthält es eine ganze Reihe von Vorschlägen, die sich zumindest in Europa definitiv nicht ohne Workshop callen lassen. Das Dokument wurde seit 1987 nicht überarbeitet - im Squaredance eine halbe Ewigkeit - und hat einen seltsamen Zwitterstatus zwischen amtlich und historisch. Im Ernst kann man es zwar einerseits weder als aktuell noch als wirklich verbindlich ansehen; da es andererseits aber immer wieder von Callerlab (besonders seinen Accredited Coaches) erwähnt wird, kann man es auch nicht einfach als 'überholt' abtun.
Wir werden uns im folgenden nicht auf dieses geheimnisvolle Dokument stützen, sondern auf den tatsächlichen Gebrauch im Tanzalltag des Autors; einige andere Grundlagen werden auch im Vor- und Nachwort der Definitions erklärt.
Directionals - um nun zum Thema zu kommen - sollen also englische umgangssprachliche Anweisungen des Callers sein, die präzise genug sind, um eine eindeutige Tanzaktion zu bewirken. Wir können uns recht plastisch vorstellen, wie im Laufe der Geschichte ein Directional nach und nach zu einem sauber definierten Call wird. Interessant wird es in dem Moment, wenn dieser Call dann plötzlich in die Liste eines höheren Levels aufgenommen wird - nach Ansicht vieler Caller und Tänzer wird er damit für Mainstream sofort tabu - offenbar wird befürchtet, dass nun im Mainstream der Call falsch ausgeführt wird, oder dass sonst Interferenzen zwischen den beiden Mustern auftreten könnten.
Konsequenz davon wäre aber zu verlangen, dass jeder Mainstreamcaller sämtliche hohen Levels beherrschen müsste: Denn jede Änderung einer C4-Definition müsste damit ja sofort und nachhaltig Auswirkungen auf das Mainstreamcallen haben würde. Ganz abgesehen von der Absurdität und praktischen Undurchführbarkeit einer solchen - rein bürokratischen - Forderung: Das kommt mir vor, als würde man im Finnischen oder Tschechischen Wörter verbieten, weil sie ähnlich klingen wie englische Wörter und daher bei einem Durchschnittsamerikaner falsche Assoziationen hervorrufen könnten. Die Folge wäre (und sie lässt sich im Alltag durchaus beobachten), dass verunsicherte Caller sich nicht an Directionals wagen und lieber auf die Sicherheit der bekannten Calls setzen.
Jeder Caller wird - soweit es ihm möglich ist - schon im eigenen Interesse die Formulierungen der unmittelbar benachbarten Tanzprogramme vermeiden. Aber man darf doch davon ausgehen, dass ein Tänzer sich darüber im klaren ist, ob er gerade C1 oder Mainstream tanzt!
Daher wird im folgenden bewusst und emphatisch Mainstream aus Sicht des Mainstreamtänzers und -callers beschrieben, weitgehend ohne jeden Bezug zu höheren Programmen. Bevor am Schluss eine kleine Liste der wesentlichen Directionals vorgestellt wird, soll aber vorher deren Gruppierung versucht werden: Eine Übersicht über die Funktionen, die Directionals haben können.
Zu Do Paso und Separate weiter unten; diese Calls haben auch heute noch einen 'offenen Beginn' und ein 'offenes Ende'. Doch auch, wenn Do Paso in der Standardversion gecallt wird, wird der Ablauf typischerweise durch Cues unterstützt - selbst Clark Baker in seinen Neudefinitionen des Mainstreamprogramms weist ausdrücklich auf diesen Brauch hin. Die Helper Words gehören hier sozusagen dazu; ähnlich auch das Reverse in der Mitte des Grand Square - dieses war früher verpflichtend, ist es aber heute nicht mehr. Vielleicht will man hier durch einen verbalen Akzent die rhythmische Ausführung des Calls unterstützen - vielleicht hat es auch etwas damit zu tun, dass der Caller während der langen Calls einfach nicht stumm bleiben kann. Man gewinnt fast den Eindruck, dass zu Anfang eher Do Paso das Helper Word war, das die Tänzer auf kommende Dinge vorbereitete.
Rhythmische Gliederung, aber auch Bestätigung des Tanzflusses wären also Funktionen mit kaum messbarer, aber wohl doch vorhandener Wirkung. Hierhin gehört beispielsweise auch Keep That Girl, das etwa zwischen Reverse Flutterwheel und Promenade angesagt wird.
Eine kleine Untergruppe von Helper Words machen die Tänzer auf das augenblickliche Arrangement aufmerksam - vor allem die Ansage Normal Lines Forward and Back; daneben gibt es noch Boy Boy Girl Girl beziehungsweise He He She She, letzteres meist vor dem Dosado (interessanterweise hielt ich als Student diese Ansage immer für eine Art stilistierte, gespielte Verlegenheitsäußerung angesichts der gleichgeschlechtlichen Aktion, bis mir Jahre später die Schreibweise klar wurde).
Weitere Beispiele für nicht unübliche Helper Words, die aber schon etwas weitergehen, sind 'Scootback - boys go, girls flip', 'Trade By - außen der Trade, innen der By' oder 'Pass to the Center, und bitte außen den Trade nicht vergessen'.
Diese Hilfen für Tänzer sind sicher oft eine gute Sache; grundsätzlich besteht aber bei jeder Hilfe offensichtlich die Gefahr der Gewöhnung. Sobald Scootback grundsätzlich mit rechts ausgeführt wird ('er hat nicht lefty gesagt'), wissen wir, dass die gutgemeinte Hilfe das Gegenteil erreicht hat.
Deutsche Anweisungen dürften allgemein Spontanhilfen sein, die sich wohl kein Caller freiwillig zur ständigen Angewohnheit macht. Wir wollen uns in diesem Aufsatz mehr mit standardisierten - mithin ausschließlich englischen - Ansagen beschäftigen.
Oft nah an den Helper Words, in anderen Fällen aber notwendig sind die Bezeichnungen der Formationen. In einer Quarter Tag Formation oder einem Diamond hat das In your Wave vor dem Swing Thru reine Helper-Word-Funktion. In allen Tidal Formations sind die Ansagen aber essentiell - für die Calls Bend the Line, Tag the Line, Half Tag und Wheel and Deal sollte jeweils klargemacht werden, ob sie in der Vierer- oder Achtergruppe zu verstehen und auszuführen sind. (Default ist laut Definitions die Achtergruppe, in der Praxis wohl die Vierergruppe). Entsprechendes gilt natürlich erst recht für ungewöhnlichere Formationen, etwa aus sechs Tänzern.
Im Grunde fällt diese Beobachtung unter das Dancer Naming (wo die Callerlab-Mainstreamdefinitions ebenfalls nicht ganz vollständig sind).
Bei einigen definierten Calls ist die Zielformation nicht ganz eindeutig und hängt vom folgenden Call ab - allen voran die Stars. Sobald diese aus etwas ungewöhnlicheren Startformationen gecallt werden oder unübliche Zielformationen erwartet sind, wird dies kaum ohne Directionals möglich sein; im Einzelfall mag man dann diskutieren, ob dieses Directional ein Helper Word, ein Bezeichner der Zielformation oder gar ein Bestandteil des Calls (siehe nächstes Kapitel) war.
Manche Calls sind nicht ganz vollständig, sie brauchen zusätzliche Angaben. Dies mag eine verquere Sicht auf einen Call wie Square Thru sein (wo fats immer die Anzahl der Hände folgt); spätestens aber bei Separate wird der Leser verstehen, was ich meine: Offiziell können viele Calls folgen; in den allermeisten Fällen folgt aber entweder Go Around One oder Go Around Two, die selber wieder nicht als Calls definiert sind (wenn man sie nicht als Modifikation von First Couple Go Left, Next Couple Go Right ansehen will), und die man auch nur in seltenen Konstellationen isoliert callen kann. Eine andere häufige Folgeanweisung nach Separate ist Come Down the Middle, das hier zumindest erwartet wird; es ist sonst nur noch üblich in Singing Calls nach einem Promenade.
Ein ganz vergleichbarer Fall liegt vor bei Go Forward Two und Go Forward Three. Diese Directionals sind nur üblich im Zusammenhang mit Shoot the Star beziehungsweise dann, wenn ein Allemande Thar folgt. An allen anderen Stellen dürfte normalerweise Right and Left Grand, Go x Hands gecallt werden. Go Forward Two/Three ist allgemeiner, da es keine Aussagen über die Hände macht. Geht er in die Gegenrichtung, scheinen manche Caller Go Backwards Two (Three) anzusagen, was ich persönlich nie gehört habe (und zumindest im Rheinland Verwirrung stiften dürfte).
Ein ähnlicher Fall ist Make an Arch, auf den ein Dive Thru folgen muss und das es erlaubt, den Call Dive Thru auch aus anderen als den üblichen Formationen einzusetzen.
Umgekehrt ist ..And a Quarter More (auch: Turn your Girl a Quarter More) nicht unüblich nach dem Courtesy Turn.
Ein sehr interessantes hybrides Directional ist Flip, das immer zur Erklärung des Scootback herangezogen wird und dort auch als Helper Word dient (siehe Beispiel oben). Niemals wird es isoliert gecallt, es ist sicher kein Call, aber auch kaum als Directional zu bezeichnen, da auch ein englischer Muttersprachler in der Regel ohne Erklärung nichts damit wird anfangen können. Auf der anderen Seite besitzt es immerhin soviel begriffliche Substanz, dass der Name eines neuen Calls Walk and Flip zumindest für Caller sofort die richtige Assoziation hervorruft - und dass umgekehrt ein anderer Name für diesen Call es schwer hätte, sich durchzusetzen.
Als kleinen Test habe ich an dieser Stelle einmal im Burleson's nachgeguckt - und tatsächlich: Ein solcher Call existiert und hat die Nummer 2321 und wird genauso getanzt, wie der Leser sich das jetzt vorstellt.
In die gleiche Kategorie wie Flip gehören die Begriffe Walk und Dodge. Boys Walk, Girls Dodge steht zumindest nah an einem Directional, und dieser Ansatz erlaubt auch - seltene - Abwandlungen wie etwa Heads Walk, Sides Dodge oder auch - aus Outfacing Lines - Centers Walk, Ends Dodge (mit einer Completed Double Pass Thru Formation als Ergebnis). Ob dies eine - nicht definierte, aber durchaus recht erfolgssichere - Variante eines Calls oder eine geglückte Anwendung von Directionals ist, ist eine ideologische Frage (ähnlich sicher dürfte nach einem Walk and Dodge übrigens ein Walkers Trade oder Dodgers U-Turn Back etc. sein). Am Rande: Der Call ist auch der einzige, für den die Rückwärtsvariante nicht ganz unüblich ist - Boys Walk Backwards, Girls Dodge ist sicher als Gimmick anzusehen, aber dennoch die häufigste Rückwärtsvariante eines Calls.
Zumindest Walk kommt auch alleine vor und kann (etwa aus Lines) schöne Ausgänge erzeugen nach dem Muster Boys Walk, you Swing that Girl and Promenade.
Eine andere Überleitung zum folgenden Kapitel bietet Don't Stop, Don't Slow Down, üblich nur in der Promenade - kein Teilcall, kein 'echter' Call, sondern ein Modifier - in jedem Fall ein waschechtes Directional.
Put the Ladies in the Lead kennt mancher als etwas altertümliche Floskel vor Dixie Style; es ist aber auch im Kreis nicht ganz unüblich als Übergang aus der Promenade in die Single File Promenade. Sein Gegenstück ist Move Up, das oben nur in der Funktion als Helper Word beschrieben wurde. Da sich Put the Ladies in the Lead aus Lines durchaus auch etwa vor einem Double Pass Thru einsetzen lässt (mit überraschender Wirkung für viele Tänzer), kann man es kaum als 'Bestandteil des Dixie Style' ansehen.
Denn es gibt einige Directionals, die sämtliche Eigenschaften eines Calls besitzen - mit der einen Ausnahme, dass sie nicht auf den Callerlablisten erscheinen. Dazu gehörte vor zehn Jahren beispielsweise auch noch First Couple Go Left, Next Couple Go Right, das noch in den Definitions von 1994 nicht enthalten war, danach auch erst vorsichtig in den Anhang aufgenommen wurde und eine unbegreiflich hohe Nummer erhielt (45); aus systematischer Sicht hätte er weit früher eingereiht werden müssen. Dieser Call hat sich auch heute noch die Variationsbreite echter Directionals erhalten - einschließlich des Namens, eines rhythmisch sperrigen Monstrums, das jeder auf eine andere Art abzukürzen versucht.
Nachdem es aber inzwischen integriert wurde, sind zur Zeit wichtige Beispiele Right Pull By und Left Pull By, die in keiner Class vergessen werden dürfen, und die verzweifelt auf die Aufnahme in die offizielle Liste warten. Sie werden nicht nur zur Erklärung des Right and Left Grand oder des Dixie Style benötigt - auch nach Box the Gnat bietet sich der Right Pull By an; es gibt aber auch andere Fälle, wo diese Calls vorkommen. Von Tänzern werden sie immer wieder mit Turn Thru verwechselt.
Noch wichtiger sind möglicherweise Face In, Face Out, Face Left, Face Right. Man beachte, dass sie immer exakt eine Vierteldrehung bedeuten; da die Drehung immer in Richtung Squaremittelpunkt ('Flagpole') geht, ist zum Beispiel Face In nicht das gleiche wie das Quarter In höherer Levels. Aus systematischer Sicht sollte man im Static Square ebenfalls Face In callen dürfen (es ist so auch Teil des Grand Square); es ist jdoch nicht gerade intuitiv, und daher würde ich persönlich es vermeiden.
Face Your Partner, Face Your Corner leiten für unsichere Tänzer den erfolgreichen Allemande Left oder Right and Left Grand ein und sind in dieser Funktion sicher Helper Words. Sie konvertieren jede Formation in eine Kreisformation. Als Alternativformulierungen haben sich eingebürgert: Meet your Partner/Corner oder Find your Partner/Corner. Aus dem Static Square dürfte auch statt Face Partner ein simples Face verstanden werden. Da zur Definition des Allemande Left und des Right and Left Grand das Hindrehen zum Partner gehört, wären sie dort nicht unbedingt notwendig. Soll aber beispielsweise aus einer Trade By Formation statt des Right and Left Grand ein Box the Gnat - Wrong Way Grand folgen, ist ein entsprechendes Directional vorher zwingend notwendig, denn das Suchen nach einem bestimmten Tänzer gehört nur bei Swing, Allemande Left und Right and Left Grand dazu.
Step Thru wird aus Waves gecallt; mancher wird hier Pass Thru sagen. Step Thru aber ist die einzige korrekte Möglichkeit, dies auch aus Left Hand Waves zu erreichen. Im Zusammenhang mit Allemande Thars sind Pass One, Pass Two und so weiter gebräuchlich, die hier eben nicht unbedingt rechtsschultrig auszuführen sind und sich damit als eigenständige Directionals legitimieren (mit ihren Varianten Skip One, Skip Two).
Nah verwandt sind hier Step to a Wave, Make a Line und ähnliche. Dass diese letzten je nach Zusammenhang deutlich mehr sind als Helper Words, beweist die Sequenz Separate to a Line, denn mit dem nächsten Call werden alle Tänzer angesprochen - to a Line hat also auch die bisher nicht Aktiven aktiviert.
Und dann gibt es noch einige historische Calls, die in keiner Liste mehr stehen, aber regional durchaus noch gecallt werden. Wenn die Namen verständlich sind, kann man auch diese als Directionals betrachten. Der bekannteste und wichtigste dürfte sein Insides Out, Outsides In (aus der Star Promenade). Regional wird stattdessen auch Insides Out, Outsides In, Once and a Half and the Girls (Boys) Are In gecallt.
Ähnlich werden selten aber eben manchmal doch noch gecallt: Aus der Promenade Roll Back; auch Promenade - Girls Roll Back One and Promenade Home (mit den Varianten Roll Back Two und Boys Roll Back). Diese Calls sind regional besonders in der Class beliebt und führen zu einer Progression oder zur Aufhebung der Progression und eignen sich so für Singingcalls oder im Gegenteil zum Üben von Singingcallroutinen innerhalb von Patterns. Heutzutage wahrscheinlich verzichtbar ist die historische Figur Put the Ladies Back to Back (meist mit Boys Promenade on the Outside).
Auf der anderen Seite erlebt man immer wieder, gerade auch auf größeren Veranstaltungen, das 'Herabsickern' gewisser Calls des Pluslevel. Dort wird nicht nur das Right and Left Thru augenzwinkernd aus anderen als normal Couples geduldet; es erhebt sich auch kein Protest bei den vereinzelten Peel Offs, die für den Englischsprechenden ja immerhin noch ansatzweise als Directionals durchgehen können - vielleicht hat dies auch eher damit zu tun, dass dieser Call meines Wissens bis 1990 noch zum Mainstream gehörte. Auch Single Circle hört man dort manchmal, das notfalls ebenfalls als Directional durchgehen kann, weil im Mainstream Circle auch für zwei Tänzer definiert ist. Zwei weitere Beispiele für anscheinend verführerische Pluscalls sind All Eight Spin the Top und Grand Swing Thru.
(Kleiner Exkurs: Ich habe kein Problem damit, dass bei einem sicheren Floor (nicht nur bei einer entsprechend ausgeschriebenen 'DBD'-Veranstaltung) die entsprechenden Aktionen per Directional gefordert werden. Ich habe aber ein sehr großes Problem damit, dass dies in der Formulierung des Plus-Levels getan wird. Dies ist rücksichtslos, weil es die reinen Mainstreamtänzer unangemessen benachteiligt. Wenn ein Tanz als 'Mainstream DBD' ausgeschrieben ist, sollte jeder Tänzer Vorteile ziehen können aus einer größeren Tanzerfahrung, aus einer höheren Intelligenz, einer besseren geometrischen Vorstellungsfähigkeit und irgendwo auch - durch die Directionals - aus einer besseren englischen Sprachkenntnis. Wenn ein Tänzer aber dadurch Vorteile hat, dass er einmal Plus gelernt hat, empfinde ich dies als unangemessen, grob und ziemlich gedankenlos; es baut unnötig nicht-fachliche Hierarchien auf und leistet dem Levelwahn Vorschub. Alle erwähnten (und noch viele andere Plus-)Calls sind mit den Mitteln von Mainstream callbar (jedenfalls, wenn man einige der hier erwähnten Directionals als historisch und durch den Gebrauch zu Mainstream gehörig anerkennt). In Anbetracht der vielen Directionals, die aus hohen Levels kommen (oder erst dort angeblich 'richtig' definiert sind), mag das lächerlich klingen - ich möchte aber doch entschieden der Vorstellung entgegentreten, einen guten Mainstreamtänzer erkenne man daran, dass er Plus tanzt.
Dies versuche ich auch den Tänzern höherer Level zu entgegnen, die sagen: Was du gerade gecallt hast, heißt aber in C7 Qwertzuiopü. Warum hast du darum denn nicht Qwertzuiopü gecallt? - Die Antwort ist: Just um exakt das zu vermeiden - dass ihr glaubt, euch besser auszukennen als der gemeine Pöbel. Vor diesem Hintergrund bitte ich auch meinen Ansatz zu sehen, dass meine Artikel immer das beschreiben wollen, was nach meiner (sicher diskutierbaren) Erfahrung im Mainstream üblich ist, nicht aber das, was es laut Meinung höherer Level sein sollte.) |
Was bisher beschrieben wurde, kann mit einer gewissen Treffsicherheit aus der Wortbedeutung erraten werden. Es haben sich zweieinhalb weitere Calls im Mainstream durchgesetzt, die nicht in diesen Artikel gehören, da es keine Chance zum korrekten Erraten gibt. Ich möchte sie trotzdem nicht unerwähnt lassen, da sie von manchen Callern und manchen Tänzern offenbar geschätzt werden.
Der erste Call heißt He-de-ho (Burleson's 3611). Er wird von manchen Tänzern gerne an Stelle des Dosado ausgeführt; selten wird er auch tatsächlich gecallt - dann aber regelmäßig falsch ausgesprochen.
Für jeden Calls kann man leicht den sogenannten Risikoquotienten bestimmen (englisch: risk ratio) - es ist einfach die Häufigkeit des Vorkommens geteilt durch die Bekanntheit der Definition. Man sollte denken, dass die wenigsten Caller sich bei unbekanntem Floor und auf großen Veranstaltungen an etwas herantrauen, bei dem sie die Definition nachweislich nicht ein einziges Mal gelesen haben. Dennoch kommt jetzt der absolute Spitzenreiter, der mit dem höchsten Risikoquotienten - quer durch alle Levels von Mainstream bis C1. Ein Blick in Burleson's:
526. Yellow Rock - Face a designated lady and give her a gentle hug. Be cautious though as many dancers frown upon this call, and it is best to respect their desires.
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Der letzte Satz ist im Original kursiv hervorgehoben; ich behaupte mal, dass in den anderen 5124 Definitionen meiner Ausgabe kein einziger Satz dieser Länge hervorgehoben ist.
Unter anderem Namen gibt's das nochmal als Squeeze. Da auf die Dauer entweder Yellow Rock und Squeeze überleben können oder die Regel, keinen Korb zu geben und vor allem keinen sich gerade bildenden Square zu meiden, wird man sich schlicht für eins von beiden entscheiden müssen.
Wie fließend der Übergang zwischen Calls und Directionals ist, zeigt ein Beispiel wie Left and Right Grand. Aus dem richtigen Body Flow vorgebracht, wird es kaum einem Tänzer ernste Schwierigkeiten machen. Dabei ist es ganz klar kein Call und wäre auch ohne den Call, auf den es sich implizit bezieht, nicht verständlich. Ganz ähnliche Varianten existieren beispielsweise zu Ladies In, Men Sashay (das in Deutschland - wohl aus rhythmischen Gründen - meist als Ladies Center'n the Men Sashay gecallt wird). Ähnlich hört man - ganz selten - auch schonmal einen Allemande Right, was deutlich als altmodisch und exzentrisch wahrgenommen wird, aber immerhin verstanden werden dürfte.
Oben war bereits Do Paso angesprochen worden, das bekanntlich - besonders am Ende - nicht völlig standardisiert ist, sondern auch in ein Promenade oder vor allem in einen Allemande Thar führen kann und in diesem Fall genaue Führung durch geeignete Directionals benötigt. Clark Baker schreibt zu Do Paso in seinen Neudefinitionen des Mainstreamprogramms:
Do Paso is used primarily with a directional style of calling, in which many of the calls have vague or flexible starting or ending formations, usually in circles, thars, and squares. Dancers are expected to blend smoothly into the next call. The call defines a general pattern, but the specific parts of the call are typically cued (e.g., "Do Paso; It's partner left, corner right, partner left and hang on tight, make an Allemande Thar with the men in the middle ..."). Variations can be cued, but the caller should draw attention to the fact that the typical pattern has been broken (e.g., "Do Paso, turn partner left, turn corner by the right, Don't Stop Yet! Partner left and corner right, hang on tight, Boys swing in to a Wrong Way Thar").
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Interessant ist hier auch der Gedanke eines 'Directional Style of Calling', der sich besonders mit bestimmten Calls verbindet. Der andere Call, der sich da als Assoziation unmittelbar einstellt, ist Separate; mehr dazu weiter unten.
Zu Forward and Back gibt es bekanntlich die Variante Up to the Middle and Back; aus Outfacing Lines sollte dieses Call dann aber die gegenteiligen Wirkung haben. Ich war ganz überrascht, in einer Videoaufnahme japanischer C4-Tänzer Up to the Middle and Back aus Outfacing Lines zu sehen - überraschend war, dass er als Forward and Back ausgeführt wurde, also semantisch offenbar gar nicht verstanden wurde.
Einige wenige Calls werden von manchen Callern anders ausgedrückt. Amerikanische Caller sagen aus unerfindlichen Gründen meist Circle Four, and Break to a Line; sie sagen auch Split Two statt Split the Outside Couple und teilweise immer noch Square Thru Three Quarters oder gar Half Square Thru; ein europäischer Tänzer kommt nicht umhin, sich auch diese Ausdrucksweisen zu eigen zu machen.
Oft hört man hier auch - etwa für die Centers in Right Hand Waves - ein Trade By the Left oder Trade Left, das sicher als Hilfe gedacht ist und in Amerika wohl auch so ankommt, hierzulande aber regelmäßig große Verwirrung stiftet. Mancher Caller hat diese Anweisungen unreflektiert automatisiert und bemerkt dann oft gar nicht, warum seine Squares zusammenbrechen.
An diesen Beispielen sind immer wieder auch regionale Abweichungen des Square Dance erkennbar; daneben gibt es auch persönliche Vorlieben wie etwa das - eigentlich historische - Grand Right and Left statt Right and Left Grand; wer will, kann auch Circle (statt Circle Left) hinzurechnen.
Ganz am Rande sollen hier noch die Füllwörter erwähnt werden, die in Singing Calls aus ryhthmischen und gesanglichen Gründen notwendig (oder jedenfalls üblich) sind. Sie tendieren manchmal dazu, redundante Helper Words zu ein, manchmal verunklaren sie auch die eigentlichen Calls und machen deren Erkennen dann schwieriger - worin im Einzelfall sicher gerade der gewisser Reiz liegen kann.
Als eine - immer vorläufige - Zusammenfassung hier noch meine kleine Sammlung von Directionals. Ziel der folgenden Liste ist, für meine eigenen Teaching Orders eine Kontrolle und Referenz zu bieten, in Ergänzung zu den Mainstream-Definitions von Callerlab. Vielleicht kann sie auch einem Leser in ähnlicher Situation helfen. Ich möchte noch erwähnen, dass ich nicht alles von der folgenden Liste für eine Mainstream-Class von üblicher Länge für notwendig halte. Callvariationen (siehe dort) sind nicht aufgenommen.
Ebenfalls nicht aufgenommen wurden Dancer Naming, Zahlwörter (Kardinal- und Ordinalzahlen bis sechs) und Richtungsbezeichnungen (einschließlich across, around, etc.), die im Unterricht offensichtlich vorkommen müssen.
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Es ist eben schon angedeutet worden, dass der eigentliche Ort der Directionals gewisse Calls und besonders auch gewisse Formationen sind. Es handelt sich hier immer um Kreisformationen und die entsprechenden Calls. 'Kreisformationen' sind für mich solche, bei denen es nicht nur zwei Symmetrieachsen gibt (parallel zu den Wänden), sondern zusätzlich die Diagonalen - wo also gecallt wird, ohne vorher einmal Heads und Sides explizit angesprochen zu haben. Das sind prinzipiell also Formationen wie Kreis, Alamo-Ring, Allemande Thar, Promenade Formation, Single File Promenade Formation, Right and Left Grand Formation und so weiter (die letzten drei sind keine offiziellen Namen).
Man kann im Squaredance eine Zweiteilung aller Calls und Formationen beobachten: Bis auf ganz wenige Zwitter (vor allem Ein- und Zweipersonencalls) ist jeder Call entweder kreisbezogen oder eben nicht. In Kreisformationen werden üblicherweise die ersten dreißig Sekunden zu Beginn jeden Tips gecallt; dann tritt man ein in die 'modernere' Welt der Lines, Waves, Columns, etc. und bleibt dort (vom Promenade einmal abgesehen) für die nächsten zehn Minuten bis zum Beginn des Singing Calls.
Directionals gehören also tendenziell in Zusammenhang mit den Kreiscalls; vieles, was im Kreis üblich ist, kann man in anderen Formationen gar nicht unterbringen. Nach Single File Promenade und Boys Take a Backtrack ist das Girls, Step behind your Partner ein eleganter und natürlicher Call; in einer Line oder Wave wäre aber alles andere als Fold seltsam und würde wohl als exzentrisch wahrgenommen.
Interessanterweise scheint zu vielen Calls eine Art 'Schattencall' oder 'Schattendirectional' zu existieren - eine Ansage, die eine ganz ähnliche Tanzaktion auslöst, aber immer viel unschärfer definiert ist (beziehungsweise verwendet wird). Die meisten davon werden nur in ganz bestimmten Abfolgen verwendet, lassen aber spüren, dass sie einmal Teil eines reicheren Repertoires waren, das inzwischen großenteils ausgemustert wurde und durch die moderneren Calls mit ihren scharfen Definitionen ersetzt wurde. Hier eine kleine Liste:
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Die letzten beiden (Star Promenade und Separate) sind als Calls definiert; dennoch kann man deutlich erkennen, wie vage sie im Unterschied zu ihren moderneren Partnern beschrieben sind. Um kurz bei definierten Calls zu bleiben - viele haben schon die auffällige Parallelität gewisser Calls beobachtet, bei denen wegen der Handführung jeweils der eine auf bestimmte Arrangements beschränkt ist und deshalb deutlich altmodischer als sein modernerer Zwilling wirkt: Man betrachte Slide Thru gegenüber Star Thru und Pass to the Center gegenüber Dive Thru. Auch California Twirl würde mancher gerne vollständig durch Partner Trade ersetzen, um im Arrangement unabhängiger zu sein. See Saw, ein weiteres Relikt älterer Zeit wurde erst kürzlich schärfer definiert.
Aber noch einmal zurück zu Directionals. Wie die letzten Beispiele deutlich zeigen, wirken sie wie Kreiscalls in ihrer ganzen Art immer ein wenig altmodisch - sie verbinden uns mit den Ursprüngen des Square Dance selbst. Im Kreis und mit Directionals ist das Callen nicht gerade einfach - vor allem auch wegen des eminent wichtigen Timings. Gerade jetzt, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, sind wir alle Zeuge, wie das Callen im Kreis und mit Directionals zunehmend einem moderneren Callstil zum Opfer fällt. Dieser kennt kaum mehr Directionals, und auch diese wenigen nur noch in ganz standardisierten Fällen. Das Callen im Kreis (zu Beginn eines Tips) ist ihm nur noch eine Pflichtübung.
Das Zurückdrängen der Directionals und des Callens in Kreisformationen gehen Hand in Hand; in beiden Fällen scheint es mit der zunehmenden Dominanz höherer Levels zu tun zu haben, gegenüber denen das schwierige Timing im Kreis und der korrekte Umgang mit Directionals unattraktiv wirken. Auch wenn dieses 'moderne' Callen kaum noch eigentliche Englischkenntnisse verlangt und damit in Zeiten der Internationalisierung auch Nichtamerikanern leichter zugänglich ist, bedeutet es primär eine Verarmung des 'Einstiegslevels'. Mehr noch: Gerade durch das Wegrationalisierung der Directionals wird Mainstream seines eigentlichen Charmes beraubt, und er verkommt zunehmend gerade dazu: Zu einem 'Einstiegslevel'.