Der Caller als Bahnfahrer

(Version 2005-02-19)

Martin Ingenhütt
MARTIN_INGENHUETT_AT_EUROPEAN_CALLERS_AND_TEACHERS_ASSOCIATION

Ich bin Bahnfahrer. Ich habe immer in großen Städten gewohnt mit - zumindest ansatzweise - ernstzunehmenden öffentlichen Verkehrsmitteln. Immer habe ich etwas zu arbeiten dabei oder zumindest zu lesen, und die Möglichkeit, in der Bahn oder Straßenbahn zu arbeiten, hat dieses Verkehrsmittel - trotz der Geringschätzigkeit, mit der es eigentlich von allen Autofahrern und Politikern betrachtet wird - immer attraktiver für mich gemacht als ein Auto. Trotz meiner Abneigung gegen überflüssigen Individualverkehr weigere ich mich selbstverständlich nicht etwa grundsätzlich, Auto zu fahren; wenn es nicht anders geht, werde auch ich nicht lange lamentieren. Ich finde aber den öffentlichen Nahverkehr auch politisch wichtig und bin mir vollkommen im klaren darüber, dass die Tage derartiger Einrichtungen gezählt sind, da wenig politischer Wille besteht, sich gegen die allgegenwärtige Autolobby durchzusetzen. Naja, dieses Thema gehört woanders hin, und auch mein schöner Singingcallabend 'Songs of Trains and Engineers' soll uns hier nicht beschäftigen (er ist auf diesen Seiten an anderer Stelle dokumentiert).

Aber da ist das Stichwort schon gefallen - ich bin auch Squaredancecaller. Da fast alle Squaredancer und selbstverständlich auch die Caller Autofahrer sind, will ich hier ganz kurz beschreiben, wie das mit dem Bahnfahren zusammengeht. Vielleicht ist das für einen der wenigen Kollegen interessant - besonders für die, die mit dem Callen erst beginnen.

Bei vielen Gelegenheiten wird ja der klassenübergreifende Charakter des Squaredances beschworen - aber man muss schon blind sein, um zu übersehen, dass sich eine sogenannte 'Wegbeschreibung' in 95 Prozent der Fälle ausschießlich auf die Autoanfahrt beschränkt.
 

Transport

Größtes Manko der Bahn. Wer mehr mitnehmen will als er halbwegs bequem tragen kann, wird nicht weit kommen. Ich selbst besitze keine Anlage; calle ich regelmäßig in einem Verein, so sollte er im Prinzip eine besitzen, oder ich würde zumindest eine Lautsprecherbox samt Kabel und Ständer kaufen und dort deponieren oder sie einem verlässlichen Clubmitglied anvertrauen.

Was ich nun zum Callen mitbringe, passt in einen Karton von Zigarrenkistengröße - Mikrophon, MP3-Player, verschiedene Adapterkabel, ein Täfelchen zum Aufschreiben der Referenztänzer, eine Uhr, mein Badge. In meinem ständigen Begleiter, einem Rucksack, passt diese Box schon in die Vortasche. Lediglich das Mikrophonkabel (das ich zum Clubabend nicht benötige, weil dort eins bereitliegt) kommt in manchen Fällen hinzu.
 

MP3-Player

Als ich mit dem Callen begann, besaß ich bereits einen Minidiskplayer und habe mir bald einen MP3-Player gekauft. Ich kann mir jetzt mit Kopfhörer fast überall Singingcalls anhören und üben; ich habe sogar Pattern geübt. Ganz besonders in meinen Anfängen, als ich einen Tip pro Woche machte, hat es meiner Nervosität sehr gutgetan, den Singingcall kurz vor dem Clubabend noch einmal durchzugehen - und da ist ein tragbarer MP3-Player jedem anderen Medium, auch einem Laptop, haushoch überlegen.

Wer seit Jahren callt, hat oft Hunderte von Schallplatten angehäuft - allein das Aufnehmen und Konvertieren in MP3-Files wird Wochen und Monate dauern. Da hat der, der jetzt erst anfängt, einen entscheidenden Vorteil, weil er sich gleich für ein alternatives Medium entscheiden kann. Bei MP3-Playern muss man grundsätzlich die Speichertechnik unterscheiden - internes Flashram, externes Medium (Stick), Festplatte. Ich habe mich gleich für ein teures Modell mit Festplatte entschieden (Apple iPod), habe aber dafür mein vollständiges Repertoire immer dabei - auf dem Raum eines Skatspiels. Das Aufnehmen geschieht daheim auf dem Computer; neue Songs sind in wenigen Sekunden übertragen.

Gegenüber einem Laptop hat ein MP3-Player zwei Nachteile: Meist lässt sich die Geschwindigkeit nicht regeln, und es ist nicht möglich, unhörbare Loops zu setzen. Ich hab mich reichlich geärgert, als ich dies herausgefunden hatte, habe aber gewisse Kompromisse gefunden, mit denen ich leben kann: Ich nehme mir Pattern in voller Länge (knapp 15 Minuten) so auf, wie ich sie brauche; der große Speicherplatz meines Players macht dies unproblematisch. Und die niedrigere Geschwindigkeit brauche ich eigentlich nur für Patterns, und da hab ich mir eben einige im langsameren Tempo aufgenommen. Beides sind, wie gesagt, Kompromisslösungen. Käme ich in die Nähe der Speichergrenzen meines Players, müsste ich wohl alle paar Wochen andere Singingcalls und besonders andere Pattern draufladen - im Moment stellt sich das Problem aber nicht. Inzwischen gibt es meines Wissens auch MP3-Player mit variabler Geschwindigkeit; über die klangliche Qualität bin ich hier nicht informiert.

Ein Minidiskplayer wäre für mich nur dann eine Alternative, wenn man nicht Dutzende von Disks mit sich herumtragen müsste (zur Übersicht gleich 26, für die Anfangsbuchstaben der Singingcalls, plus ein paar für Patterns). Minidiskplayer mit einstellbarer Geschwindigkeit sind immer zu groß für Bahnfahrer, und alles in allem hat man den Eindruck, hier auf eine Technologie zu setzen, die schon zu veraltern begonnen hat - was sicher kein Argument sein muss.

Da ich beruflich mit Computern zu tun habe, wird man verstehen, dass ich ihnen doppelt soviel traue wie einem Skorpion unter der Steppdecke. Irgendwann wird vielleicht die Anschaffung eines Laptops unumgänglich werden, aber auch dann werde ich meinen MP3-Player immer dabei haben: Die Vorstellung, dass der Rechner beim Einschalten am Clubabend oder gar auf einem Special seinen Geist aufgibt, wäre mir sonst unerträglich.
 

Checkers

Ich arbeite nicht mit Checkers, auch nicht zuhause. Da ich immer wieder unterbrochen werden kann, möchte ich später wieder an der gleichen Stelle weitermachen. Daher habe ich mir stattdessen ein einfaches Notationssystem ausgedacht. Ich brauche nur den Rand einer Tageszeitung und einen Kugelschreiber und kann jederzeit unterbrechen und jederzeit wieder zum vorhergegangenen FASR zurückkehren.

Über dieses Notationssystem schreibe ich an anderer Stelle.
 

Unterlagen

Ich bin jemand, der seine Notizen im Computer haben muss, weil ich ohne dessen überlegene Suchfunktionen nicht auskäme ('Zeig mir mal alle Files im Ordner Calling und Unterordnern, in denen das Wort Recycle vorkommt' - allerdings ist eine gewisse Standardisierung in den verwendeten Formulierungen dazu natürlich unabdingbar). Auch die einfachen Archiviermöglichkeit möchte ich nicht missen - würde ich mit handgeschriebenen Notizen und Karten arbeiten, dann müsste ich diese in Abständen fotokopieren und einlagern. In der Bahn hatte ich also immer ein umfangreiches Ringbuch mit meinen Ausdrucken dabei; unterwegs habe ich dort handschriftlich Korrekturen und Ergänzungen gemacht. Da ich mir schnell markieren kann, in welchen Teilen und auf welchen Seiten ich Änderungen gemacht habe, kann ich diese - sobald genug zusammengekommen ist - zuhause wieder in den Computer übertragen und die entsprechenden Seiten neu ausdrucken. Das geschah - je nach meiner Aktivität - einmal pro Woche bis einmal pro Vierteljahr.

Der Zwischenschritt mit der Übertragung zu Hause und dem erneuten Ausdrucken hat sich oft als nützlich erwiesen zur Kontrolle. Dennoch ist dieses Verfahren offensichtlich ein wenig umständlich. In einem anderen Ringbuch habe ich noch meine Singingcall-Texte; leider sind beide Ordner zusammen inzwischen ordentlich schwer geworden, und daher habe ich mir inzwischen einen PDA angeschafft. Denn es kommt noch etwas hinzu: Ich habe festgestellt, dass ich immer wieder gewisse Informationen brauche, die sich dauernd ändern - etwa, welche Musik (besonders Singing Calls) ich in der letzten Woche verwendet habe. Zuhause im Computer führe ich 'Buch' darüber, aber diese Liste mehrere Male in der Woche neu auszudrucken, scheint wenig sinnvoll.
 

PDA

Ein PDA ('Personal Digital Assistant', oder so) ist ein kleines elektronisches Notizbuch, das durch Tippen mit einem Stift bedient wird. Mit dem Stift lassen sich auch handschriftlich Eingaben machen, die der PDA erkennt. Grundsätzlich hält das Gerät die Daten, bis der Akku leer ist; daher ist eine Synchronisation mit dem Computer zuhause Teil des Konzepts. Du kannst also jederzeit unterwegs oder zuhause an deinen Dokumenten weiterarbeiten; sobald du die Geräte mit einander verbindest (und den PDA nebenbei dabei auflädst), werden die Daten gegenseitig abgeglichen und beiderseits auf den gemeinsamen neuesten Stand gebracht. Ich habe lange gezögert, mir solch ein Ding anzuschaffen, womit man so affig und life-style-mäßig aussieht. Da es mir dennoch zum Arbeiten unterwegs ideal schien, habe ich mir kürzlich eins gegönnt. Wenn ich eine Zeitlang damit gearbeitet habe, werde ich über meine Erfahrungen damit berichten - wohl in einer Neuversion des vorliegenden Texts.

Ein erster Eindruck ergibt, dass das Ding ideal ist, um meine vielen kleinen Zettel und Listen zu koordinieren und strukturiert abzulegen. Ein wesentlicher Vorteil ist der einfache und schnelle Abgleich mit dem Computer; auch umfangreiche am Computer erstellte Dokumente können so mit wenigen Handgriffen 'eingepackt' und mitgenommen werden. Weiter kann das Gerät auch MP3-Files abspielen; nachdem ich gerade wieder von einem Clubabend mit vergessenem Minidiskplayer gehört habe, beruhigt es mich, mir damit ein Backup für Notfälle schaffen zu können.

Leider ist das Display zu klein, um ganze Singingcalls life ablesen zu können - aber das hatte ich vor dem Kauf auch nicht im Ernst erwartet.

[Weitere Texte vom gleichen Autor: www.calling.scootback.de]
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